Englischer Profifußball unterliegt künftig Aufsichtsbehörde

Die englischen Profifußballligen von der Premier League bis zur National League bekommen künftig eine Regierungsaufsicht. Dies gab die britische Regierung bekannt, nachdem sie die „Untersuchung zur Verwaltung des englischen Fußballs“ auswertete.

Oberstes Ziel sei „die Gewährleistung der langfristigen Stabilität der englischen Fußballpyramide“, wie es in der Erklärung der Regierung heißt. „Dazu gehört auch der rechtliche Rahmen für Regulierung, mit dem vorrangigen strategischen Ziel, die Zukunftsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit des englischen Fußballs zum Wohl der Fans und der lokalen Gemeinschaften sicherzustellen.“ In der Vergangenheit habe es zahlreiche Beispiele gegeben, bei den Clubs wie Bury, Macclesfield Town oder Derby County Opfer von Missmanagement und schlechten finanziellen Entscheidungen ihrer Eigentümer wurden und die Clubs daraufhin im Gesamten vor der Liquidation standen – der Fußball habe dringenden Reformbedarf. Weil die Regierung die Branche aber aufgrund mangelnder Selbstregulierung nicht dazu im Stande sieht, der Bedeutung der Vereine für ihre Fans und Gemeinden angemessen Rechnung zu tragen, müsse eine unabhängige, externe Aufsichtsbehörde geschaffen werden.

West Ham-Fans bei einem Heimspiel. Bild: Claude Rapp - cr-fotos.de

Das erstellte Strategiepapier umfasst dabei auch nicht-legislative Reformmaßnahmen und Handlungsempfehlungen für die weitere Entwicklung des professionellen Männer- und Frauenfußballs in England, inklusive deren Effekte auf den Breitensport.

Zentraler Vorschlag der Ausarbeitung ist die Einführung eines neuen Lizensierungssystem für die Vereine der obersten fünf Ligen Englands, welches gesetzlich verankert und von einer unabhängigen Regulierungsbehörde überwacht wird. Neuer Teil der Lizenzbedingungen ist beispielsweise das „Schützen des Fußballs als Kulturgut für seine Fans“. Diese Anerkennung des Status des football as cultural heritage war eine der zentralen Forderungen der vorangegangenen Untersuchung.

Wo greift der Regulator ein?

Die neue Aufsichtsbehörde soll sich daher künftig bei den wichtigsten strategischen Fragen einmischen dürfen. Dazu zählen:

  • Finanzen (als Hauptaugenmerk): Clubs müssen gute grundlegende Finanzgebaren nachweisen; über angemessene finanzielle Ressourcen und Puffer verfügen, um kurzfristige Liquiditätsprobleme auffangen zu können; und vor allem die Kern-Vermögenswerte des Clubs, wie das Stadion, gesondert schützen.
  • Eigentümer: Teil der Lizenzierung wird ein erneuerter Eigentümertest („fit and proper person“), der genauer unter die Lupe nimmt, dass die Besitzer geeignet sind, einen Club zu führen und über die nötige Integrität verfügen; woher deren Vermögen stammt; und wie valide der präsentierte Finanzplan der Eigentümer ist.
  • Fan-Mitbestimmung und Fußball als Kulturgut: Die Regulierungsbehörde wird einen Mindeststandard für die Einbindung der Fans einführen. „Die Fans sind für jeden Fußballverein der wichtigste Interessenvertreter, und beide Parteien profitieren von ihrer Beteiligung am langfristigen Entscheidungsprozess eines Vereins.“ Besondere Schutzmaßnahmen werden außerdem für zentrale Clubwerte, wie das Logo, die Vereinsfarben, den Clubnamen und den Standort des Stadions, eingeführt. Bei geplanten Änderungen erhalten Fans ein Veto-Recht.
  • Wettbewerbe: Die Vereine können nur noch an vorher von der Behörde genehmigten Wettbewerben teilnehmen. So soll verhindert werden, dass die Clubs an abtrünnigen Ligen wie der Super League teilnehmen.
  • Geldverteilung: Die Behörde setzt sich für eine gerechtere Geldverteilung zwischen den Clubs und vor allem den Ligen ein. Den Ligen wird zugestanden, zuerst selbst über eine neue Verteilung verhandeln zu dürfen, sollte das Ergebnis aber nicht im Sinne eines langfristig verbesserten Wettbewerbsgleichgewichts sein, behält sich der Regulator vor, selbst einzugreifen und eine Lösung durchzusetzen.

In allen Punkten will die Behörde aber einen „vorrangig beratenden Ansatz“ verfolgen. „Das bedeutet, dass sie, wo immer möglich, auf konstruktives Engagement statt auf formale Intervention setzen wird, aber ihre starken Befugnisse und Sanktionen nutzen wird, um die Einhaltung der Vorschriften zu erzwingen, wenn dies notwendig ist.“

Fans sind zuversichtlich, die Liga ist skeptisch

Die Premier League selbst reagierte erwartungsgemäß verhalten auf die Entscheidung der Regierung und die Aussicht auf mehr Beaufsichtigung. In einem Statement der Liga heißt es, man begrüße, dass wichtige Probleme im Fußball angegangen werden und sei sich im Klaren, dass die leidenschaftliche Unterstützung der Fans von grundlegender Bedeutung für den Wettbewerb sei. Gleichzeitig wolle die Liga durch Zusammenarbeit mit der Regierung sicherstellen, dass „die vorgeschlagene staatliche Regulierung keine unbeabsichtigten Folgen hat, die die Position der Premier League als meistgesehene Fußballliga der Welt beeinträchtigt oder ihre Wettbewerbsfähigkeit schmälert“. England werde durch diesen Plan die erste große Nation, die „den Fußball zu einer staatlich regulierten Branche macht“.

Von Fanorganisationen und Fußballinteressierten wurde die Ausarbeitung dagegen zuversichtlicher aufgenommen. Kevin Miles, Geschäftsführer der Football Supporters‘ Association, einem der größten Fanbündnisse Englands, sagte: „Das Strategiepapier geht eindeutig auf unsere Hauptanliegen in Bezug auf Eigentumsverhältnisse, unseriöse Wettbewerbe und Nachhaltigkeit ein, und natürlich unterstützen wir alle Vorschläge, die den Fans ein größeres Mitspracherecht bei der Führung ihrer Vereine einräumen. Wir freuen uns darauf, mit der Regierung die nächsten Schritte zu besprechen.“

Independent Regulator und die 50+1-Regel

Spannend ist der Independent Regulator der Premier League auch angesichts der Diskussionen über die 50+1-Regel in Deutschland. Während hierzulande darüber diskutiert wird, inwieweit die Regel ein (zu) starker Eingriff ist, überspringt die Premier League gewissermaßen mehrere Schritte und führt mit der Aufsichtsbehörde ein Instrument ein, das definitiv und massiv in die Liga und die Clubs eingreift. All das im Sinne der Fans und basierend auf einer bestätigten Stellung des Fußballs in England als Kulturgut („football as heritage“). (Faszination Fankurve, 03.03.2023)

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