Treuer Norden: Hannover 96-Ultras erklären, wie Zaunfahne in Händen der Feinde landete

Beim Niedersachsenderby am 19. März 2023 präsentierten vermummte Ultras von Eintracht Braunschweig eine Zaunfahne des Treuen Norden aus der Nordkurve Hannover. Anschließend wurde die Fahne in der Südkurve des Eintracht-Stadions verbrannt.

Spruchband in der Südkurve des Eintracht-Stadions bevor die Treuer Norden-Zaunfahne präsentiert wurde.
Spruchband in der Südkurve des Eintracht-Stadions bevor die Treuer Norden-Zaunfahne präsentiert wurde. Bild: bs1895.de

Spruchband in der Südkurve des Eintracht-Stadions bevor die Treuer Norden-Zaunfahne präsentiert wurde.
Spruchband in der Südkurve des Eintracht-Stadions bevor die Treuer Norden-Zaunfahne präsentiert wurde. Bild: bs1895.de

„Zweimal gemalt, einmal verloren? Treuer Norden ohne Sorgen!“, stand zuvor auf Spruchbänden der Ultras von Eintracht Braunschweig geschrieben. Die Gruppe Treuer Norden hing daraufhin die eigene Zaunfahne im Gästeblock ab und stellte den Support ein. Die restliche Fanszene von Hannover 96 machte nach Rücksprache mit der Gruppe jedoch weiter Stimmung. Die Zaunfahne der Gruppe war anschließend nicht mehr zu sehen und die Mitglieder der Gruppe traten nicht mehr in Gruppenklamotten auf. Doch aufgelöst wurde der Treue Norden nicht.

Treuer Norden-Zaunfahne in den Händen von Eintracht Braunschweig-Ultras.
Treuer Norden-Zaunfahne in den Händen von Eintracht Braunschweig-Ultras. Bild: bs1895.de

Treuer Norden-Zaunfahne wird in der Südkurve verbrannt.
Treuer Norden-Zaunfahne wird in der Südkurve verbrannt. Bild: bs1895.de

Beim Niedersachsenderby am 05. November 2023 kam in der Nordkurve Hannover ein „Seit 2006 und immer weiter...“-Spruchband zum Vorschein, bei dem die Buchstaben „T“ und „N“ farblich hervorgehoben wurden. Anschließend feierte die Zaunfahne des Treuen Nordens ihr Comeback. Man hatte sich dazu entschieden, dass nach dem Verlust der ersten Zaunfahne gemalte Banner wieder aufzuhängen.

Das Comeback der Treuer Norden-Zaunfahne in der Nordkurve des Niedersachsenstadions.
Das Comeback der Treuer Norden-Zaunfahne in der Nordkurve des Niedersachsenstadions. Bild: Fotoblog Fankurve

In einer Stellungnahme erklärte der Treue Norden, wie die eigen Zaunfahne am 26. Februar 2012 anlässlich eines Auswärtsspiels bei Borussia Dortmund im Entlastungszug, der die Hannover 96-Fans zurück in die niedersächsische Landeshauptstadt brachte, vergessen wurde. Die anschließende Suche in Fundbüros blieb erfolglos, doch niemand rechnete damit, dass die Zaunfahne in Händen von Braunschweig-Fans gelandet ist.

Nach dem Verlust im Jahr 2012 malte der Treue Norden eine neue Zaunfahne, die mittlerweile wieder zu sehen ist. Zudem entwickelte sich der 2006 gegründete Fanclub immer mehr zu einer Ultragruppe. Heute sieht man sich zu 96 Prozent als Ultras an. (Faszination Fankurve, 02.12.2023)

Faszination Fankurve dokumentiert das Statement des Treuen Norden:

Treuer Norden: Seit 2006 und immer weiter...

das vorletzte Derby am 19. März 2023 dürfte allen Hannoveranern mehr oder weniger gut in Erinnerung geblieben sein. Niederlage in letzter Minute, stimmungstechnisch kein zufriedenstellender Auftritt und natürlich die Geschehnisse auf den Rängen. Allen voran für uns als Gruppe TN ist die Präsentation unserer alten Fahne der schwerwiegendste Moment dieses Tages gewesen. Ein Moment, der bei allen anwesenden Mitgliedern, aber auch bei allen Freunden aus Ultra-, Fanszene oder sonstigen Kreisen eine Schockstarre auslöste. Schnell entschieden wir uns die an diesem Tag hängende Fahne vom Zaun zu nehmen. Für die meisten von uns war der Tag gelaufen und an weiteren Support nicht mehr zu denken. Nichtsdestotrotz wurde unsererseits kommuniziert mit der Unterstützung der Mannschaft fortzufahren, um das letzte verbleibende Ziel, den Derbysieg, zu erreichen. Diese Entscheidung war im Nachgang auch die richtige, obgleich wir beim Einstellen jeglicher Aktivitäten an besagtem Tag auch den vollen Rückhalt der Szene erhalten hätten.

Das letzte Spiel dieser alten Fahne liegt schon einige Jahre zurück. Genau genommen hing sie seinerzeit beim Auswärtsspiel in Dortmund am 26.02.2012, als die damaligen Mitglieder sowohl per eingesetztem Entlaster als auch per Auto direkt vom Europapokalspiel aus Brügge auf einem Sonntag nach Dortmund angereist sind. Die Fahne wurde damals auf der Rückfahrt beim Ausstieg im Entlaster schlichtweg vergessen. Während einige wenige den Verlust entsprechend höher priorisierten, reagierte der Großteil nach vergeblichen Recherchen in Fundbüros der Deutschen Bahn durchaus gleichgültiger und entschied sich dazu, eine neue Fahne zu malen. Ein Entschluss, der auch über elf Jahre zurückblickend aufgrund der damaligen Gruppenstrukturen und Selbstdefinition im Großen und Ganzen heute noch vertretbar ist. TN war seinerzeit immer eine offene Gruppe und stets für Freunde, Bekannte oder jeden 96 Fan zugänglich.

Wenn wir uns heute zu 96% als Ultragruppe definieren, blicken wir voller Stolz auf den gesamten internen Werdegang und die Entwicklung zurück. Was als offizieller Fanclub von Jugendlichen begonnen hat, wuchs sukzessive ins Positive. Veränderungen und Mitgliederschwankungen brachten Interessenskonflikte hervor. Noch heute zwingen wir niemandem etwas auf, denn jeder Einzelne weiß seine Stärken für die Gruppe und die Szene am besten einzusetzen. Diese Werte grenzen uns von einer herkömmlichen Ultragruppe ab, die in der Regel als solche geboren wurde oder wird.

Knapp ein halbes Jahr verzichteten wir auf das Aufhängen jeglicher Fahnen und das Tragen von Gruppenklamotten. Obwohl die Gründe des Abhandenkommens der Fahne den älteren Mitgliedern weitestgehend bekannt waren, gab es noch eine Reihe offener Fragen intern zu klären. Rund 2/3 der heutigen Personen waren im Februar 2012 noch nicht an Bord. Für uns als Gruppe gab es mehrere unterschiedliche Szenarien. Wäre die Fahne in jeder anderen Kurve aufgetaucht, hätten wir unsere Fahne zum damaligen Zeitpunkt nicht abgehangen. Da sind wir uns zweifelsfrei einig. Einzig allein der Umstand, dass unser Material den Weg zum Erzfeind fand, erforderte eine interne Auseinandersetzung mit der Situation. Das Abhängen unserer Fahne beim Auswärtsspiel war eine vorerst korrekte Maßnahme und die Fortführung des Supports der gesamten Ultraszene aus unserer Sicht eine folgerichtige Konsequenz.

Nach Tagen, Wochen und Monaten der Verarbeitung des 19.03.2023 wurden die Köpfe kontinuierlich kühler und eine Erkenntnis manifestierte sich: Der Abschaum feierte sich für etwas, wofür er nichts geleistet hat. Dazu ein Spannungsbogen, der mutmaßen ließ, man habe die Fahne in einer aussichtslosen Schlacht in massiver Unterzahl erkämpft. Jedoch ist das Drama nicht dramatischer, als dass die Fahne vom Bahnpersonal im Zug aufgefunden wurde und sich jemand zur richtigen Zeit am richtigen Ort befand.

Unsere Meinungen reichten von Fassungslosigkeit, Wut, Lächerlichkeit sogar hin bis zur Dankbarkeit. Fassungslosigkeit und Wut für die Geschehnisse an sich und die eigenen Schlampereien. Lächerlichkeit für die Inszenierung. Und Dankbarkeit vor allem für die Ehre und Anerkennung. welche uns in diesem Derby geboten wurde.

Wer eine Fahne dann auch noch an die Bullen verliert und ein zweites Mal geschenkt bekommt, dessen Argumentation würde uns wirklich interessieren. Oder wieso schaffte der Abschaum es nicht die Fahne beim Sturm am 06.11.2016 ins eigene Stadion zu bringen? Für uns wäre das Glück eins zu viel des Guten und ein solches Material schlichtweg wertlos.

Das relevanteste Ergebnis der eigenen Aufarbeitung war, dass wir zum vergangenen Heimspiel unsere optischen Aktivitäten wieder offiziell aufnahmen und die Schmach, mit der vom Erzfeind verbrannten Fahne, hinter uns ließen. Im Hintergrund hat sich bis dato kaum bis wenig verändert und die Gruppe hat gezeigt, dass sie in dieser schwierigen Zeit zusammenhält und einen ausnahmslosen Rückhalt der gesamten Ultra- und Fanszene genießt. Das war schon arg überraschend und eine sehr eminente Unterstützung für uns. Wir haben aus der Vergangenheit mehr denn je gelernt und werden das Spiel weiter aufmischen. Der selbstverschuldete Fahnenverlust hat zwar eine Narbe hinterlassen, aber wir bleiben unseren Werten und der Mentalität treu, sodass für uns die Freundschaft innerhalb TN und die Szene von Hannover als Ganzes mehr zählt als alles andere.

Treuer Norden im November 2023

Weitere News - News Deutschland

News Deutschland

Wie Werder-Ultras mit der Spraydose gegen den Namenssponsor protestierten

Unter dem Motto „Der Lack ist ab - Die Fassade bröckelt - Wohninvest raus aus dem Weserstadion!“ protestierten die Ultragruppen Wanderers Bremen, UltrA-Team Bremen, HB Crew und L'Intesa Verde am Samstag erneut gegen den Namenssponsor des Weserstadions. mehr

News Deutschland

Demo, Trillerpfeifen-Protest, Materialverbot, Pyroshow & Öffentlichkeitsfahndung

Hinter einer „AR, Investoren, Präsidium: Es reicht!“-Botschaft zog die Cannstatter Kurve am Samstagnachmittag in einer angemeldeten Demonstration vom Carré-Kreisverkehr in Bad Cannstatt bis hinter die Haupttribüne des Neckarstadions. Auch innerhalb der Cannstatter Kurve gingen die Proteste der VfB-Fans weiter. mehr

News Deutschland

Präsentierte Fahnen, geklaute Schals, Raketen & 15 Minuten lange Spielunterbrechung

Im ausverkauften Sportforum Hohenschönhausen kam es am Samstagnachmittag zum Spitzenspiel der Regionalliga-Nordost zwischen dem BFC Dynamo und dem FC Energie Cottbus. Beide Fanlager präsentierten dabei geklautes Material der gegnerischen Fanszene und sorgten für eine Spielunterbrechung. mehr