Abgesagte Choreografie & fünf Minuten Protest beider Fanlager

Das heutige Zweitligaspiel zwischen Eintracht Braunschweig und dem FC St. Pauli wurde von Fanprotesten gegen den von Eintracht Braunschweig erhobenen Topspielzuschlag begleitet. Beide Fanlager machten sich für bezahlbare Ticketpreise stark.

Leerer Gästeblock in den ersten Minuten des Spiels. Bild: faultier381

Unter dem Motto „Fußball muss bezahlbar bleiben – gegen Topspielzuschläge und steigende Ticketpreise!“ rief Ultrà Sankt Pauli (USP) zum Boykott der ersten fünf Minuten des Auswärtsspiels bei Eintracht Braunschweig auf und begründete dies mit dem dort erhobenen Topspielzuschlag. Der Gästeblock des Eintracht-Stadions blieb bis zu diesem Zeitpunkt entsprechend leer. USP platzierte während des Protests eine „Fußball muss bezahlbar bleiben!“-Botschaft vorm Block.

Plakat in der Südkurve zur abgesagten Choreografie. Bild: faultier381

In der gegenüberliegenden Südkurve organisierten Cattiva Brunsviga und Co. einen fünfminütigen Stimmungsverzicht. Außerdem wurde eine eigentlich geplante Choreografie aus Protest gegen den Topspielzuschlag wieder abgesagt. „Choreo heute abgesagt wegen Topspielzuschlag“ und „Letzter Warnschuss - Topspielzuschläge abschaffen, jetzt!“ war dazu auf Spruchbändern der Eintracht-Fans zu lesen. „Das 'Topspiel sehn' wir als Kompliment - Die Ticketpreise als gefährlichen Trend“, lautete ein weiteres Spruchband von USP im Gästeblock. In der zweiten Hälfte protestierten die Gästefans zudem mit fliegenden Tennisbällen. Sportlich trennten sich beide Team 1:1. (Faszination Fankurve, 01.09.2023)

Spruchband von Ultrà Sankt Pauli zum Topspielzuschlag in Braunschweig. Bild: faultier381

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Ultrà-Szene – BTSV Eintracht 1895 zum fünfminütigen Protest und zur abgesagten Choreografie:

GEGEN TOPSPIELZUSCHLÄGE IM EINTRACHT-STADION

Seid gegrüßt Eintracht-Fans,

Freitag – Fluchtlicht – Eintracht.  Für alle Löwen etwas Besonderes – nicht nur weil die Südkurve an solchen Tagen richtig heiß ist, sondern auch weil sich die Atmosphäre bei Flutlichtspielen regelmäßig aufs gesamte EINTRACHT-STADION überträgt. In Erinnerung bleiben Abende wie letzte Saison gegen Magdeburg oder auch das vergangene Pokalspiel gegen Schalke. Unsere Vorfreude auf das heutige Abendspiel wird jedoch stark getrübt, da sich Eintracht Braunschweig zu Saisonbeginn dazu entschied, sogenannte „Topspielzuschläge“ einzuführen. Was bedeutet das genau, warum stört uns die Einführung und welche Konsequenzen leiten wir daraus ab, all diese Fragen wollen wir in den nachfolgenden Zeilen beantworten:

Hintergrund:

Vor Saisonbeginn erhielten verschiedenste Faninstitutionen und Gruppen, darunter auch die Ultrà-Szene – BTSV Eintracht 1895, eine Einladung zu einem Gesprächstermin mit den Verantwortlichen von Eintracht Braunschweig. Vor Ort wurde uns erklärt, dass sich der Verein aus wirtschaftlichen Gründen (gestiegene Löhne für Personal und Ordnungsdienst) dazu entschieden hat, künftig bis zu 5 Topspiele einzuführen. Hierbei handelt es sich um die Heimspiele gegen St. Pauli, Osnabrück, Hertha BSC, das Derby und Hamburg. Bei diesen Spielen müssen alle Eintracht-Fans, die keine Dauerkarte haben sowie der jeweilige Gästeanhang 4,- € pro Karte mehr bezahlen, als bei den anderen Spielen im EINTRACHT-STADION. Alle Faninstitutionen haben sich vor Ort deutlich GEGEN diese Einführung ausgesprochen.

Unsere Kritik:

- Uns zu einem Gespräch einzuladen, bei dem das Ergebnis schon im Vorhinein feststeht, hat mit Dialog auf Augenhöhe nichts zu tun. Wer sich einen transparenten Dialog mit der aktiven Fanszene auf die Fahne schreibt, sollte bei einem so sensiblen Thema, nicht erst einen Tag vor der Veröffentlichung in die Kommunikation gehen, sodass kein Spielraum mehr für Alternativ-Vorschläge vorhanden ist. 

- Seit vielen Jahren setzen sich die Fanszenen in Deutschland für einen bezahlbaren Fußball ein, sodass sich die 20 Euro Marke als Obergrenze für einen Stehplatz etabliert hat. Durch den Aufschlag kostet ein Stehplatz-Ticket im Vorverkauf künftig 21 Euro und an der Tageskasse gar 23 Euro. Dieser unsoziale Schritt passt unserer Auffassung nach nicht in die DNA unseres Vereins, der gerne seine Historie und soziale Teilhabe über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg betont. Gerade in Zeiten der steigenden Inflation kann sich nicht jeder Fan eine Dauerkarte leisten. Anstatt das monetäre Defizit auf alle Schultern zu verteilen und so auf eine einträchtige Lösung zu setzen, werden die Tageskartenkäufer und Gästefans zur Kasse gebeten. Mit einer Preiserhöhung um 0,50€ pro Spiel auf Dauer- und Tageskarten wären die erforderlichen ca. 160.000€ Mehreinnahmen schlussendlich sogar übertroffen worden.

- Nicht nur wir, sondern auch die Gästefans sind von den Topspielzuschlägen betroffen. Insbesondere Fans von Vereinen mit reisefreudigen Anhängern wie dem HSV oder Hertha BSC sind oft die Leittragenden, da sie regelmäßig für ihre Treue zur Kasse gebeten werden. Mit Fairness und Willkommenskultur hat das nichts zu tun.

Unsere Konsequenz:

Wir sind nicht bereit, den von Eintracht Braunschweig eingeschlagenen Weg kommentar- und geräuschlos hinzunehmen. Uns stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, mit denen wir unsere Unzufriedenheit ausdrücken können. Hierbei handelt es sich um:
- Verzicht auf Choreos und optische Stilmittel (auch im Derby!!)
- Verzicht auf die Unterstützung der Mannschaft
- Weitere verschiedene akustische und optische Protestformen
Für das morgige Heimspiel gegen den FC St. Pauli haben wir uns dazu entschieden, auf eine geplante Choreo im Stadion zu verzichten, da wir nicht bereit sind, das „Topspiel“ durch eine große Kurvenshow aufzuwerten. Zusätzlich werden wir in den symbolischen – aufgrund der 5 Topspiele – ersten 5 Minuten der heutigen Partie auf die optische und akustische Unterstützung verzichten. Hiermit wollen wir die Forderungen der Abschaffung der Topspielzuschläge im EINTRACHT-STADION gegenüber den Verantwortlichen zusätzlich unterstreichen. Die Mannschaft ist hierüber informiert und weiß um unseren gewohnten Rückhalt ab der 6. Minute.

Wir betonen dabei, dass wir niemanden auf diktieren wollen, wie man sich in dem Thema zu Verhalten hat, weisen aber gleichzeitig daraufhin, dass die Wirkung des Protestes umso größer ist, wenn das gesamte EINTRACHT-STADION in den ersten fünf Minuten an einem Strang zieht.

Wir haben lange und kontrovers über diesen Schritt diskutiert, da wir uns durch den Protest selbst einschränken. Doch ideelle Werte haben gerade für uns als Fanszene einen immens hohen Stellenwert, sodass wir den Kampf für einen einträchtigen und sozialen Umgang mit den Ticketpreisen als wichtiger erachten. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Protest im Sinne der gesamten Eintracht-Familie steht, um morgen die erste und letzte Begegnung mit Topspielzuschlag im EINTRACHT-STADION zu erleben.

Wir hoffen, dass den Entscheidern die Choreografien der Südkurve, eine kontinuierlich lautstarke Unterstützung der Mannschaft in „Topspielen“ und eine protestfreie Kurve wichtig sind. Wir betonen, dass wir die Fronten keineswegs unnötig verhärten lassen wollen. Gleichzeitig hoffen wir, dass wir nicht gezwungen werden, über weitere Protestmaßnahmen zu diskutieren.

Daher appellieren wir an die Vereinsführung und die Kontrollgremien -gerne mit uns gemeinsam- an einer fairen Lösung für die kommenden „Topspiele“ zu arbeiten. Natürlich mit dem Ziel, dass Topspielzuschläge umgehend als einmaliger Anfängerfehler beerdigt werden.

Für einen bezahlbaren Fußball! Topspielzuschläge abschaffen – Jetzt und immer!

Ultrà-Szene – BTSV Eintracht 1895

Klare Botschaft der Braunschweiger Fans in der Südkurve. Bild: faultier381

 

Weitere News - News Deutschland

News Deutschland

Fanmärsche, Fahnenmeer, gelbes Westfalenstadion, 805 kontrollierte Personen, Gedenken & Pyro

Borussia Dortmund gewann das Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Paris SG am Mittwochabend mit 1:0. Vorm Spiel zogen tausende BVB-Fans in einem Masch vom Westpark zum Westfalenstadion. Auch die Gästefans aus Paris kamen gemeinsam am Stadion an. mehr

News Deutschland

Derby-Aufruf der Nordtribüne Hamburg

Nachdem Ultrà Sankt Pauli bereits einen Treffpunkt für alle FC St. Pauli-Fans für das Stadtderby am Freitag veröffentlichte und einen Fanmarsch ankündigte, zog am Dienstag die Nordtribüne Hamburg nach. mehr

News Deutschland

„Alle in Gelb zum Halbfinale“

Borussia Dortmund empfängt heute im Hinspiel des Halbfinals der Champions League Paris SG im heimischen Westfalenstadion. Das Südtribüne Dortmund-Bündnis hat für das heutige Heimspiel den Dresscode „„Alle in Gelb zum Halbfinale“ ausgerufen. mehr