Fanszene kritisiert „Der beste Zweitverein Deutschlands“-Kampagne

Weil der SV Wehen eine Kampagne mit dem Slogan „Der beste Zweitverein Deutschlands“ startete, fühlen sich die aktiven Fans des Vereins vor den Kopf gestoßen. Die neue Kampagne zeige wenig Wertschätzung für die eigene Fanszene, für die der SV Wehen kein Zweitverein sei.

Beim Heimspiel gegen den VfL Osnabrück brachten Fanclubs und Gruppen des SV Wehen diese Kritik auch mit Spruchbändern zum Ausdruck. „Vereinsidentifikation statt Selbstabwertung!“, „Kampagne beenden“, „Mit Herz und Seele werben, aber nichts davon besitzen!“, „Fremd im eigenen Stadion - Dank Zweitverein“, „Unser Fußball ist monogam!“, „Herzblut für unseren Verein statt Marketing von der Agentur!“, „Wir machen Strecke, ihr verarscht uns!“ und „Zweitvereinkampagne in die Tonne treten“ war auf den Plakaten der SV Wehen-Fans zu lesen. (Faszination Fankurve, 24.08.2022)

Spruchbänder der SV Wehen-Fans zum Thema.
Spruchbänder der SV Wehen-Fans zum Thema. Bild: supremusdilectio2008.wordpress.com

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme aus der Fanszene des SV Wehen:

STELLUNGNAHME ZUR „DER BESTE ZWEITVEREIN DEUTSCHLANDS“-KAMPAGNE

Manch eine*r wird am vergangenen Dienstag (16.08) vermutlich ebenso wehmütig wie wir auf Tattoos, die eigene Trikot-  oder Eintrittskartensammlung, die schweiß- und biergetränkte Kutte oder ähnliches geblickt und sich gefragt haben, ob der neue Kampagnenslogan ernst gemeint ist oder es sich um einen verspäteten Aprilscherz handelt.

Wie auf der Internetseite des Vereins verlautbart wird, solle „[a]ufbauend auf dem starken Markenversprechen ‚Das W Vereint‘ […] die Kampagne mit dem Titel ‚Der beste Zweitverein Deutschlands‘ gestartet“ werden, um „mit ersten augenzwinkernden Motiven auf den Status Quo“ einzugehen.

Bevor wir zu unserer Kritik an diesem Slogan kommen, möchten wir auf etwas hinweisen: Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich, dass inzwischen auch auf die Belange der Fans und aktiven Fanszene eingegangen wird. Ein positives Beispiel hierfür ist die Möglichkeit, die Wände hinter der neuen Westtribüne zu gestalten. Das war in den vergangenen Jahren leider keine Selbstverständlichkeit, sodass wir an dieser Stelle nicht nur Kritik aussprechen, sondern auch auf positive Entwicklungen hinweisen wollen. Gerade oder trotz dieser positiven Entwicklung, stößt uns und sicher auch andere treue Fans des SV Wehens der neue Kampagnenslogan vor den Kopf. Vielleicht zieht er das bestehende Engagement um den SV Wehen sogar ins Lächerliche. Oder würden Fans für ihren Zweitverein dutzende Stunden an Arbeit investieren, damit der Verein anschließend noch damit werben kann?

Die Erkenntnis, dass „[f]ür viele Menschen […] der SVWW derzeit nicht die erste Wahl [ist]“ ist sicherlich keine Neue, sodass der Anspruch „erste Wahl zu werden“ durchaus nachvollziehbar ist. Vielleicht sollte hierbei aber von den Verantwortlichen auch reflektiert werden, dass sich deren Bemühungen in der Vergangenheit eher darum gedreht haben, das VIP-Logen-Publikum zufriedenzustellen statt die Fans in den übrigen Steh- und Sitzplatzbereichen, die aber nun mal den Großteil der Besucher*innen ausmachen. Ein schönes Beispiel hierfür ist der vergangene Konflikt, um das Absetzen des Stadionsprechers aus der aktiven Fanszene zugunsten eines Werbepartners. Wäre in der Vergangenheit in solchen Situationen – es ließen sich zahlreiche weitere aufführen-, zugunsten der ‚einfachen‘ Fans oder der aktiven Fanszene entschieden worden, hätte ein natürliches Wachstum stattfinden können. Stattdessen wurden über die vergangenen Jahre zahlreiche Menschen verprellt und diese Chance auf natürliches und insbesondere nachhaltiges Wachstum verspielt, ganz abgesehen von der üblichen Fluktuation bei Auf-/Abstiegen und den Auswirkungen der Pandemiesituation. Vielleicht wäre es auch sinnvoll gewesen sich bereits in der Vergangenheit sympathischer und „augenzwinkernd“ zu positionieren. Die Grundvoraussetzungen waren als Provinzverein schließlich gegeben. Stattdessen wurden falsche Grundsteine gelegt, um sich als vermeintlicher Fußballverein der Landeshauptstadt zu präsentieren – wie töricht und arrogant. Die Nachwirkungen dieser Entscheidungen spüren wir noch heute.

Anstelle sich nun aber wirklich als sympathisch zu positionieren, werden erneut diejenigen vor den Kopf gestoßen, die überhaupt noch ins Stadion kommen oder sich im Umfeld des Vereins engagieren. Inwiefern sich durch die Selbstabwertung als Zweitverein erhofft wird, „in unserer Region stärker zu mobilisieren“ bleibt wohl Nico Schäfers Geheimnis.

Wie erhofft polarisiert die Kampagne aber zumindest. Die Frage, ob es dafür aber notwendig ist, denjenigen vor den Kopf zu stoßen, die den Verein aktuell unterstützen, müssen sich die Verantwortlichen selbst beantworten. Wir halten es an dieser Stelle zumindest für fraglich, dass im Zuge der Vorbereitung überhaupt ein Gedanke daran verschwendet wurde, wie dieser Slogan auf die eigene Fangemeinschaft wirken könnte. Für uns ist an dieser Stelle das Signal jedoch eindeutig. Die vorhandene Fanszene wird nicht wertgeschätzt und es wird mal wieder von mehr Zuschauer*innen geträumt. Dies kann nachhaltig nicht funktionieren, denn Identifikation und Leidenschaft erfordern immer auch Respekt. Es hätte sicherlich andere Wege gegeben sich „augenzwinkernd“ und sympathisch zu präsentieren, ohne dabei das bestehende Engagement um den SV Wehen (zumindest indirekt) abzuwerten. Der Versuch dieser Werbekampagne scheint aus unserer Perspektive jedoch zum Scheitern verurteilt zu sein. Wer sich damit zufrieden gibt, zugunsten von vermeintlich höheren Zuschauer*innenzahlen, ein „Zweitverein“ zu sein – und sei es der beste Deutschlands -, offenbart nur als was die vorhandenen und zukünftigen Fans gesehen werden: Nämlich nicht als Teil der Wehen-Familie, sondern ausschließlich als zahlende Kundschaft.

Unterzeichnende Gruppen und Fanclubs:

Supremus Dilectio 2008
Weher Originale
Eiserne Hand
Halbergtramps
Rheinsturm
Allianz Wiesbaden
Taunus Torpedos
Chaos United
Wehen Aller

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