„Das Erfolgsrezept der 2. Mannschaft schmeckt gehörig nach Red Bull“

Nachdem die Zweitvertretung von Eintracht Frankfurt aus der Hessenliga in die Regionalliga Südwest aufgestiegen ist, sorgt die Neugründung der zweiten Mannschaft der SGE nun auch in dieser Liga für Unmut bei anderen Fanszenen.

Der Block 30 des KSV Hessen Kassel wirft der Eintracht aus Frankfurt in einer ausführlichen „Nein zum Konstrukt Eintracht II“-Stellungnahme vor, einen ähnlichen Weg, wie Rasenballsport Leipzig eingeschlagen zu haben.

Nachdem die Eintracht die eigene 2. Mannschaft im Jahr 2014 einstampfte, gelang durch eine Übernahme der Spiellizenz von Hessen Dreieich die Auferstehung von Eintracht Frankfurt II mit einem Startplatz in der Hessenliga. Die FC HANAU 93 Supporters forderten deshalb bereits im Februar 2022: „Gründet gefälligst eure eigene Liga und lasst anderen Vereinen die Startplätze in den Ligen!“. Mit der Hessenliga-Meisterschaft ist die 2. Mannschaft der SGE zur Saison 2023/24 nun in die Regionalliga Südwest aufgestiegen.

Die Fanszene von Hessen Kassel geht in der eigenen Stellungnahme ins Detail und analysiert die Mäzen-Vergangenheit des SC Hessen Dreieich und blickt auf die heutige Jugendarbeit der SGE. „Das Erfolgsrezept der zweiten Mannschaft schmeckt gehörig nach Red Bull und treibt eben jene Mechanismen voran, gegen die Fanszenen von Traditionsvereinen aus der Bundesliga regelmäßig Mobil machen“, so die Kritik des Block 30 in Richtung Eintracht Frankfurt. (Faszination Fankurve, 28.08.2023)

Hessen Kassel-Choreografie in Block 30. Bild: block-30.blogspot.com

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme des Block 30 des KSV Hessen Kassel:

Nein zum Konstrukt Eintracht II

Die Zweitvertretung der Eintracht verkörpert im Speziellen, was zweite Mannschaften in der Regionalliga im Allgemeinen ausmachen: Sie verzerren den sportlichen und wirtschaftlichen Wettbewerb. Die SGE hat sich darüber hinaus sportlich nicht für die Regionalliga qualifiziert. Sie hat sich ihren Startplatz erkauft. Sie ist ein weiteres Zahnrad im Getriebe eines modernen Fußballs, der Profite über die Belange des Sports und der Fans stellt.

Der Vorgängerverein der kleinen SGE

Wir schreiben den Sommer 2013. Um die leeren Stadtkassen zu füllen, wird die Stadt Dreieich von der Finanzaufsicht unter Druck gesetzt, von Vereinen höhere Gebühren für die Nutzung von Sportstätten zu verlangen. Das stellt zahlreiche ortsansässige Clubs vor das Problem, dass sie sich den Spielbetrieb nicht mehr leisten können. Die Lösung verspricht ein Mäzen: Der Hahn-Air-Chef Hans Nolte gründet die „Dreieich Sportstätten Betriebs- und Marketing-GmbH (DSBM)", lässt einen professionellen Sportpark entstehen und gründet den „SC Hessen Dreieich". Vereine können sich assoziieren lassen und unter der Schirmherrschaft des Mäzens kicken.

Die Gemengelage aus der Finanznot der Kommune, dem Konstrukt „SC Hessen“ und der Überforderung lokaler Vereine hat zunächst ein Vereinsbeben zu Folge. In den ersten Monaten wirbt der SC Hessen offensiv Jugendspieler aus Dreieich, Langen, Neu-Isenburg, Sprendlingen oder Ober-Roden an. Über Jahrzehnte gewachsene Fußballvereine können in der Folge nur mit Restbeständen und neuen Spielvereinigungen mühsam ihren eigenen Spielbetrieb aufrechterhalten. Jahrelanges Ehrenamt und Vereinsleben kämpfen ums Überleben, während Nolte sich unterdessen als Retter der Jugendförderung feiern lässt. Gleichzeitig vergnügt er sich mit einem neuen Hobby: einer Seniorenmannschaft, die bald schon Hessenliga spielt. Das geht einige Jahre gut. Dann kommt aber Corona. Plötzlich rechnet sich das Vergnügen nicht mehr. Nolte verliert die Lust und sucht nach einem Ausstiegsszenario. Jetzt kommt die Eintracht ins Spiel...

Doppelmoral made in Südhessen

...im Frühjahr 2014 hatten die Südhessen noch ihre zweite Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet, weil kaum ein Spieler vom Unterbau in die Profimannschaft aufrückte und jährlich rund eine Million Euro eingespart werden sollte. Die damalige Annahme, dass sämtliche Bundesligisten ihre Zweitvertretungen abmelden würden, erwies sich recht schnell als Fehleinschätzung. Kein Jahrzehnt später beginnen die Grübeleien in der Chefetage der SGE, wie man wieder eine zweite Mannschaft melden kann, ohne Zeit, Mühe und Geld aufzuwenden, um aus den Niederungen in sportlich attraktive Gefilde aufzusteigen. Die Lösung bietet Nolte mit seinem in Ungnade gefallenen Hobby „SC Hessen Dreieich“. Eintracht Frankfurt kauft kurzerhand für 6 Millionen Euro die Mehrheitsrechte der DSBM und übernimmt Spielrecht und Spielstätte der SC Hessen Dreieich. Nach kaum mehr als einem Jahr befinden sich heute nur noch drei Spieler mit einer sportlichen Vergangenheit in Dreieich im Kader. Wie kann die Abwicklung des Seniorenfußballs in Dreieich so reibungslos funktionieren? Rudi Bommer - einst Kicker bei der Eintracht und später Trainer der SC Hessen Dreieich - erklärt die Gelingensbedingungen gegenüber der Frankfurter neuen Presse seinerzeit so: „Es gab und gibt in Dreieich kein Gremium, das alles diskutiert. Kurze Wege, schnelle Entscheidungen“ (FNP 23.2.2023). Kurzum: Der Mäzen entschied. Keine Diskussion, kein Abwägen, keine Folgenabschätzung für die Region, den Jugendfußball vor Ort und die ortsansässigen Vereine. Im Kreis Offenbach kickt zukünftig also Eintracht Frankfurt. Auch andere Ideen, wie einen Verein „International SC Rhein Main“ zu gründen, sind plötzlich vom Tisch.

Das wirft mindestens die Frage der Doppelmoral auf. Eintracht Frankfurt hat sich in den vergangenen Jahren mit den Federn langjähriger Tradition und eigener Werte geschmückt. Die DFB Pokal- und Europacupspiele der letzten Jahre begeisterten gerade deshalb auch Fußballfans, die es sonst nicht unbedingt mit der Eintracht halten. Nicht zuletzt im Pokalfinale gegen RB Leipzig prangerte die Fanszene in einem Statement vor dem Spiel fehlende „Chancengleichheit“ gegenüber den Sachsen an. Ein Pokalsieg der Eintracht gegen Leipzig wurde von ihnen zu einem der letzten „Träume im modernen Fußball“ stilisiert.

Zur Wahrheit gehört: Das Erfolgsrezept der zweiten Mannschaft schmeckt gehörig nach Red Bull und treibt eben jene Mechanismen voran, gegen die Fanszenen von Traditionsvereinen aus der Bundesliga regelmäßig Mobil machen. Die kleine Eintracht wurzelt in dem Konstrukt eines Mäzens, das mal eben aus der Portokasse aufgekauft wird. Für den Startplatz in der Liga qualifiziert man sich in Südhessen nicht sportlich, man kauft ihn. Zu der Geschichte der Eintracht gehört ab jetzt dieser Schandfleck.

Eintracht II: Sportlich und wirtschaftlich unfair

Sämtliche Zweitvertretungen in den Regionalliegen und der 3. Bundesliga stellen kleinere Traditionsvereine vor eine unfaire Konkurrenzsituation und verzerren den sportlichen Wettbewerb. Immer wieder stellen sie Profis aus der ersten Mannschaft für ihre Zweite ab. Eintracht-Sportvorstand Krösche kündigte im vergangenen Jahr gegenüber der FAZ genau das an: Man wolle Spielern der ersten Mannschaft, „die noch nicht kontinuierlich zum Stammkader gehören, Spiel- und Wettkampfpraxis auf höchstmöglichem Niveau“ in der Zweitvertretung ermöglichen (FAZ 16.2.2022). Auf dem Platz stehen dann Jungmillionäre eines Bundesligisten Spielern gegenüber, die wie beim KSV fast durch die Bank parallel zum Fußball einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen. Defacto rekrutieren sich Zweitvertretungen zudem gar nicht mehrheitlich aus eigenen Jugendspielern, wie es der Name „U21/23" häufig suggeriert. Wirft man einen Blick auf den Kader der Frankfurter, wird ersichtlich, dass nur etwas mehr als ein Drittel der Spieler überhaupt eine Vergangenheit in der SGE-Jugend hat.

Zudem investieren Bundesligisten Gelder in den Kader ihrer zweiten Mannschaft, mit denen Regionalligisten kaum mithalten können. Noch vor einem Jahr klangen die Pläne von Eintracht Sportvorstand Markus Krösche dahingehend recht besonnen: „Wir werden keine Millionentruppe aufbauen, große Gehälter zahlen oder externe Spieler dazu holen. Die zweite Mannschaft soll für junge Spieler da sein“, betonte Krösche gegenüber der Frankfurter Rundschau (FR 14.11.2022).

Kurz danach relativierte er sich und versprach eine Kombination aus U19 Spielern und „ein paar externe Neuzugänge“. Blickt man heute auf den Kader, hat sich das Kredo umgekehrt: Nicht nur die Mehrheit der kleinen Adler hat gar keine Eintracht Vergangenheit, mit Phinees Bonianga (1. FC Kaiserslautern), Noel Futkeu (Schwarz Weiß Essen), Mark Müller (VfR Aalen), Max Hauswirth (Astoria Walldorf) wechselten zur neuen Saison Spieler, die allesamt nicht nach regionaler Nachwuchsförderung und Durchlässigkeit klingen. Zwar lässt sich streiten, ab wann man von einer Millionentruppe sprechen kann. Der Marktwert der SGE II entspricht allerdings schon jetzt dem einer Topmannschaft in der Regionalliga. Der Kader hat wohlgemerkt als Aufsteiger laut transfermarkt.de einen Marktwert, der doppelt so hoch ist, wie der des KSV.

Die Eintracht reiht sich damit in die Riege der Zweitvertretungen ein, die in der Regionalliga den Wettbewerb sportlich und wirtschaftlich verzerren. In Zukunft wollen wir uns deshalb wieder verstärkt dem Thema Zweitvertretungen kritisch annehmen und uns dabei auch mit unserem eigenen Unterbau auseinandersetzen. Zu beiden Thematiken werdet ihr bald mehr von uns hören.

Block 30 im August 2023
 

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