„Jahrelange Präventivarbeit wird wissentlich mit Füßen getreten“

Drei Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe wurde wegen der Vorkommnisse beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vorgeladen. Fanprojekte dienen für junge Fußballfans mit ihrer sozialpädagogischen Arbeit als Schutzraum. Doch ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt es bisher nicht.

Pyroshow zu 20 Jahren Rheinfire. Bild: ULTRA1894.de

Fanprojekte in Deutschland kämpfen schon länger dafür, als Jugendsozialarbeit ein Zeugnisverweigerungsrecht zu bekommen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe riskiert mit ihren Vorladungen für Fanprojekt-Mitarbeitende nun, dass sozialpädagogische Einrichtungen in ganz Deutschland Probleme in ihrer täglichen Arbeit Probleme wegen Vertrauensverlusten bekommen könnten. Wenn Fanprojekt-Mitarbeitende als Zeugen berufen werden, sehen die Supporters Karlsruhe eine „deutliche Grenzüberschreitung“. Auch der Stadtjugendausschuss weist auf die Gefahren hin, die aus dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft resultieren.

Hintergrund der Ermittlungen ist die Pyroshow und das Feuerwerk zu 20 Jahren Rheinfire Karlsruhe am 12. November 2022 im Wildparkstadion in Karlsruhe. Die 2002 gegründete Ultragruppe Rheinfire feierte damals beim Heimspiel des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli den eigenen 20. Geburtstag mit einer Choreografie, Pyroshow und einem Feuerwerk. „Raufen, saufen, Händel suchen“, stand dabei neben dem Gründungsjahr vor der Kurve geschrieben. Neben einer Blockfahne mit dem Logo der Gruppe und blauen Zetteln kam bei der Aktion reichlich Pyrotechnik und Feuerwerk zum Einsatz. (Faszination Fankurve, 13.04.2023)

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Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme des Stadtjugendausschusses zur Vorladung der Fanprojektmitarbeitenden

Der Vorstand des Stadtjugendausschuss e.V. gibt eine Stellungnahme dazu ab, dass seine Mitarbeitenden im Fanprojekt als Zeug*innen in einem Ermittlungsverfahren gegen Fußballfans vorgeladen werden. Das Zustandekommen und die Konsequenzen der Vorladungen sind eine existentielle Bedrohung für die Fanprojektarbeit in Karlsruhe. Im Folgenden macht der Vorstand deutlich, warum das so ist.

Fanprojekte leisten soziale Arbeit im Kontext Fußball. Sie sind sozialpädagogische Einrichtungen der Jugendhilfe. Fanprojekte leisten Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit nach den Paragrafen 11 und 13 des SGB VIII – Aufgaben, die gesetzlich definiert und vom Staat zu erbringen sind – und erfüllen somit einen öffentlichen Auftrag.

Die Mitarbeitenden des Fanprojekts haben zur Aufarbeitung des Heimspiels gegen St.Pauli mit den Fans viele Gespräche geführt. Sie haben Dialogformate mit Netzwerkpartnern begleitet und die Kommunikation am Standort mit allen Beteiligten koordiniert. Das ist klassische Soziale Arbeit eines Fanprojekts, die durch den gesetzlichen Auftrag nach SGB VIII legitimiert ist. Diese Begleitung und vertrauensvolle Arbeit mit Fans und dem Netzwerk wird nun von der Polizei in einem Ermittlungsverfahren verwendet. Ein Angebot im Rahmen der Fanprojektarbeit, in den Räumlichkeiten des Fanprojekts und damit im vertraulichen Rahmen wird als Anlass zur Zeug*innenvorladung der Mitarbeitenden genutzt.

Die Angebote der Fanprojekte, Begleitung von Fangruppierungen und viele Gespräche mit Fans beruhen auf jahrelanger Beziehungsarbeit. Vertrauen der Fans von und zu den Sozialarbeiter*innen mit Wertschätzung und gegenseitigem Respekt ermöglichen es kritisch parteilich und konstruktiv miteinander zu arbeiten und zu einem gegenseitigen Verständnis im und für das Netzwerk rund um den Fußball beizutragen. Mit dem Vorgehen der Karlsruher Staatsanwaltschaft wird dieses Vertrauen und die Beziehungsarbeit wissentlich aufs Spiel gesetzt. Werden Angebote, Räume und vertrauliche Gespräche zwischen Sozialarbeiter*innen und ihrer Zielgruppe für Ermittlungsverfahren verwendet, kann diese Arbeit nicht mehr gemacht werden.

Der Stadtjugendausschuss kann das nicht akzeptieren.

Wir weisen hier auf die Gefahren, die Unzumutbarkeit und die möglichen Konsequenzen für alle Mitarbeitenden in Fanprojekten hin. Wir fordern, dass die Empfehlungen des NKSS (Nationales Konzept Sport und Sicherheit) ernst genommen und im gegenseitigen Respekt umgesetzt werden!

Der Stadtjugendausschuss wird mit den verantwortlichen Stellen das Gespräch suchen und dabei verdeutlichen, dass das Handeln von Polizei und Staat das Vertrauensverhältnis, und damit die Arbeitsgrundlage zwischen Sozialer Arbeit und Fans bundesweit bedroht.

Der Stadtjugendausschuss fordert, dass die Fanprojektarbeit respektiert und von der Polizei ernst genommen wird, so wie auch das Fanprojekt die Arbeit ihrer Netzwerkpartner respektiert.

Karlsruhe, 10.4.2023

Marco Dawid

Vorsitzender Stadtjugendausschuss e.V. Karlsruhe

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemeldung der Supporters Karlsruhe 1986 e.V.:

Sehr geehrte Pressevertreter,

das Fanprojekt Karlsruhe hat heute eine Mitteilung veröffentlicht, in der es über die Vorladung aller Mitarbeiter durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, informiert. Hintergrund sind die Vorkommnisse im Rahmen des Spiels des Karlsruher SC gegen den FC St. Pauli.

Der Supporters Karlsruhe 1986 e.V. und dessen Abteilung Fanhilfe Karlsruhe verurteilen diese Handlung der Staatsanwaltschaft aufs Schärfste und sehen darin eine Gefahr für die sozialpädagogische Arbeit mit Fußballfans – mehr noch: eine Gefahr für Sozialarbeit im Allgemeinen.

Seit mehr als 30 Jahren leistet das Fanprojekt Karlsruhe unter der Trägerschaft des Stadtjugendausschuss e.V. hervorragende Arbeit mit Fußballfans und gilt auch für uns als unverzichtbarer Netzwerkpartner in Karlsruhe und über die Stadtgrenzen hinaus. In der Vorladung durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe für alle drei Mitarbeiter des Fanprojekts sehen wir eine deutliche Grenzüberschreitung.

Die Räumlichkeiten des Fanprojekts gelten – wie andere sozialpädagogische Einrichtungen auch – als Schutzraum, in dem jahrelange vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut werden. Etliche Beratungs- und Konfliktlösungsgespräche werden und wurden geführt. Deren Rahmen ist stets vertraulich und alle Sozialpädagogen unterliegen gegenüber Dritten der Schweigepflicht. Diese grundlegende und wichtige Arbeit wird nun durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe massiv untergraben.

Trotz deutlicher Forderungen der gesamten Sozialarbeit in Deutschland verfügen Sozialpädagogen nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Genau das wird nun von der Staatsanwaltschaft ausgenutzt. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe schädigt wissentlich oder zumindest grob fahrlässig eine Institution, die in den letzten Jahren mitunter dafür gesorgt hat, das Verhältnis zwischen Fans und Polizei zu befrieden und die Eskalationsspirale nicht weiter drehen zu lassen. Das Vertrauen der gesamten Karlsruher Fanszene in die Mitarbeiter des Fanprojekts ist sehr groß. Ob dies in Zukunft noch so sein wird, muss offenbleiben, wenn Sozialarbeiter von der Staatsanwaltschaft als Zeugen vorgeladen werden. Mühselige, jahrelange Präventivarbeit wird wissentlich mit Füßen getreten und bleibt nachhaltig beschädigt.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft Karlsruhe daher klar und deutlich auf: HÄNDE WEG VOM FANPROJEKT!

Sozialpädagogische Arbeit mit und ohne Fußballfans muss weiterhin ohne staatliche Repression möglich sein!

Weiter unterstützen wir die Forderung nach einem Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialpädagogen

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