„Das Urteil hat Signalwirkung“: Erfolgreiche Klage gegen Tweet der Polizei

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass ein Tweet des Polizeipräsidiums Duisburg vom Spiel MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg aus dem Jahr 2017 so nicht rechtens war. Die Polizei unterstellte den FCM-Fans damals, Ponchos angezogen zu haben, um eine Durchsuchung zu verhindern.

Ein auf dem Foto zu sehender FCM-Fan klagte gegen die Twitter-Veröffentlichung der Polizei, hatte vorm Verwaltungsgericht Düsseldorf damit jedoch keinen Erfolg. Doch die Berufung war erfolgreich und das Oberverwaltungsgericht Münster endschied nun zu Gunsten der Betroffenen.

„Riesen-Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster! Wir haben mit großer Spannung die Verhandlung und anschließende Urteilsverkündung im Twitter-Prozess bezüglich unseres Auswärtsspiels in Duisburg erwartet. Für uns endet der Tag mit großem Erfolg! Die Klage gegen die Foto-Veröffentlichung eines Clubfans war in vollem Umfang zulässig und begründet! Das OVG NRW hat festgestellt, dass die Veröffentlichung von Bildern mit Clubfans, verbunden mit einem Generalverdacht, rechtswidrig war. Das Urteil hat Signalwirkung und wir hoffen, dass es dazu beiträgt, in der Zukunft tendenziöse Berichterstattung der Cops in Bezug auf Fußballfans zu verhindern! Fanhilfe wirkt!“, freut sich die Fanhilfe Magdeburg über die heutige Gerichtsentscheidung. (Faszination Fankurve, 28.11.2022)

FCM-Fans am 24. Februar 2017 beim Auswärtsspiel beim MSV Duisburg. Bild: PGDU.de

Fasziantion Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung des Gerichts:

Klage eines Fußballfans gegen Twitter-Nachricht der Polizei erfolgreich

Das Oberverwaltungsgericht hat heute der Klage eines Fußballfans gegen eine Twitter-Nachricht des Polizeipräsidiums Duisburg stattgegeben, die anlässlich des Spiels des MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg im Februar 2017 veröffentlicht wurde.

Bei der als Risikospiel eingestuften Partie der 3. Fußball-Bundesliga zogen ungefähr 100 Gästefans vor der Einlasskontrolle Regencapes über. Der Anführer („Capo“) der Fangruppierung hatte sie per Megafon dazu aufgefordert und die Regencapes verteilen lassen. Laut der Ansage sollte dies Teil einer Fan-Choreographie im Stadion sein. Die Polizeikräfte verhinderten den Zutritt der mit Regencapes bekleideten Fans zum Station, weil sie das Einschmuggeln von verbotenen Gegenständen (insbesondere Feuerwerkskörpern) befürchteten. In der Folge kam es zu einem Rückstau an der Einlasskontrolle. Die Polizei Duisburg veröffentlichte hierzu über ihren Twitter-Account die mit einem Foto versehene Meldung: „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“ Die in Brandenburg lebende Klägerin fühlte sich durch den Tweet nebst Foto in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte gegen die Polizei Duisburg. Diese war der Meinung, die Klägerin sei auf dem Foto schon nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Rechtswidrigkeit des Tweets festgestellt.

Zur Begründung hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Es muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auf dem auf Twitter veröffentlichten Foto zu erkennen gewesen ist. Ein Abgleich der vorgelegten Ausdrucke des Tweets mit Fotos der Klägerin aus dem maßgeblichen Zeitraum spricht dafür. Ob die Ausdrucke der Original-Auflösung des Bildes bei Twitter entsprochen haben, ist nicht mehr aufzuklären. Die verbleibende Unsicherheit geht aber zu Lasten der Polizeibehörde, weil diese nicht nur den Tweet nachträglich (wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit) gelöscht hat, sondern auch die Original-Fotodatei dort nicht mehr auffindbar ist. Unabhängig von der Frage, ob eine Verwaltungsbehörde für die in Rechte Dritter eingreifende Öffentlichkeitsarbeit eine gesetzliche Grundlage benötigt, genügt der Tweet nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an Veröffentlichungen des Staates stellt, die Rechte Dritter beeinträchtigen. Insbesondere müssen die mitgeteilten Tatsachen zutreffend sein. Zudem darf die Veröffentlichung nicht über den damit verfolgten Zweck hinausgehen. Dies ist beides nicht eingehalten. Dass die Fußballfans und damit auch die Klägerin ein Regencape zu dem Zweck übergezogen haben, die Durchsuchung zu verhindern, kann nicht belegt werden. Die von der Polizei selbst dokumentierte Aussage des „Capo“ deutet in eine andere Richtung, nämlich die Gestaltung einer Fanchoreografie. Dass dies nur vorgeschoben gewesen ist, ist allenfalls eine polizeiliche Vermutung, die nicht belegt ist. Jedenfalls hätte die Polizei in einem solchen Fall die verbleibende Unsicherheit kenntlich machen müssen. Zudem hätte die Polizei den angeführten Zweck, die übrigen Fans über den Grund des Rückstaus zu informieren, auch mit dem Verweis auf Fans, die sich Regencapes anziehen, aber ohne die Angabe einer inneren Motivation, erreichen können.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 5 A 2808/19 (I. Instanz: VG Düsseldorf 18 K 16606/17)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung der Fanhilfe Magdeburg zum Thema:

Riesen-Erfolg im Twitter-Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht Münster

Ein Fan des 1. FC Magdeburg hat heute eine Klage um einen umstrittenen Twitter-Post der Polizei Duisburg gewonnen. Die Polizei muss die Rechte von Fußballfans und somit den Grundsatz der Neutralität auch im Internet wahren. Das Urteil hat bundesweite Signalwirkung.

Am heutigen Tag wurde mit großer Spannung die Urteilsverkündung im sogenannten Twitter-Prozess erwartet. Beim Auswärtsspiel des 1. FC Magdeburg in Duisburg im Februar 2017 hat die Polizei über Twitter ein Foto veröffentlicht, was mehrere Clubfans zeigt und den Fans grundsätzlich unterstellt, verbotene Handlungen vollziehen zu wollen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat heute festgestellt, dass die Veröffentlichung von Bildaufnahmen mit Clubfans vor dem Gästeeingang, verbunden mit einem Generalverdacht, nicht den Anforderungen entspricht, die das Bundesverfassungsgericht an die Veröffentlichungen des Staates stellt, die Rechte Dritter - also die der Fußballfans - beeinträchtigen und damit rechtswidrig war.

Fast sechs Jahre hat es bis zur Urteilsverkündigung gebraucht, um dieses Urteil mit bundesweiter Signalwirkung zu erwirken und die tendenziöse Berichterstattung der Polizeibehörden in Bezug auf Fußballfans zu rügen. Durch das Urteil wurden die Persönlichkeitsrechte von Fußballfans gestärkt und die Pflicht zur Neutralität behördlicher Arbeit unterstrichen. Die Fanhilfe Magdeburg fordert, dass die Polizei ihre Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Medien endlich überarbeitet. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, das öffentliche Meinungsbild zu prägen – dies obliegt der Presse und zivilgesellschaftlichen Akteuren.

Im Rahmen des Prozesses wies die Polizei Nordrhein-Westfalen darauf hin, die Tweets des Tages auf welchen Personen abgebildet waren, aus Wahrung der Persönlichkeitsrechte nachträglich entfernt zu haben. Wir fordern, dass keine Bilder von Personen ohne deren Einwilligung überhaupt erst aufgenommen und über Polizei-Profile in den Sozialen Medien veröffentlicht werden dürfen. Nur dies würde den Persönlichkeitsrechten von Bürgern gerecht werden. Schließlich möchte niemand unfreiwillig mit der Polizei in Verbindung gebracht werden.

Der die Klägerin in beiden Instanzen vertretende Rechtsanwalt Dr. Hüttl betont nach dem Urteil: „Das Oberverwaltungsgericht hat mit dem heutigen Urteil nicht alleine die Rechte von Fußballfans, sondern vielmehr die Rechte aller Bürger gestärkt. Die Abbildung von Personen und - so wie hier - die unrichtige Darstellung von Sachverhalten durch die Polizei in den Sozialen Medien ist grundsätzlich geeignet, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Betroffener einzugreifen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat hierzu heute klare Regeln sowie Prüfmaßstäbe aufgestellt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die beklagte Polizeidirektion Duisburg rechtswidrig verhalten hat. Ich hege die Hoffnung, dass dieser eindeutige Richterspruch nun zum Umdenken und reflektiertem Agieren der Polizeibehörden führt.“

Die Fanhilfe Magdeburg bedankt sich für den Einsatz der mutigen Klägerin, diesen fast sechs Jahre langen Weg stellvertretend für alle Fußballfans gegangen zu sein. Ein großer Dank gilt zudem Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl für seinen hervorragenden Einsatz.

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