Geisterspiel-Urteil: NOFV setzt erneut auf Kollektivstrafen
Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) hat auf die Vorfälle beim Derby zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lokomotive Leipzig am 07. Mai 2022 reagiert. Der Verband verhängte gegen beide Vereine Kollektivstrafen.
Lok Leipzig muss laut des Urteils des Sportgerichts das kommende Derby im Bruno-Plache-Stadion gegen die BSG Chemie Leipzig unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. Die BSG Chemie erhält ebenfalls ein Heim-Derby ohne Fans auferlegt, in diesem Fall jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Bei Lok Leipzig wurde damit eine vorherige Bewährungsstrafe in eine tatsächliche Strafe umgewandelt.
„Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) hat die BSG Chemie Leipzig nach den Vorfällen beim Meisterschaftsspiel der Regionalliga Nordost zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem 1. FC Lokomotive Leipzig am 07.05.2022 wegen eines unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger zu einer Geldstrafe in Höhe von 7.000,00 EUR verurteilt. Darüber hinaus muss der Klub ein Meisterschafts-Heimspiel der Regionalliga gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig unter vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. Die Vollstreckung dieser Maßnahme ist zur Bewährung ausgesetzt worden und erfolgt nur dann, wenn es innerhalb der Bewährungszeit zu einem weiteren schwerwiegenden Wiederholungsfall kommt. Die Bewährungszeit läuft bis zum 30.06.2023. Der 1. FC Lokomotive Leipzig wurde wegen eines unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger zu einer Geldstrafe von 8.000,00 Euro verurteilt. Hiervon kann der Klub einen Betrag in Höhe von bis zu 2.600,00 Euro für gewaltpräventive Maßnahmen verwenden, was er bis zum 31.12.2022 nachzuweisen hat. Zudem ist die Strafaussetzung zur Bewährung der gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig mit einer früheren Verurteilung ausgesprochenen Sanktion (Ausschluss der Öffentlichkeit) widerrufen worden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist bei dem nächstfolgenden Heimspiel des 1. FC Lokomotive Leipzig gegen die BSG Chemie Leipzig in der Regionalliga Nordost zu vollstrecken“, teilte der NOFV dazu mit.
Der NOFV sanktionierte das Abschießen von Leuchtraketen durch Lok-Fans, das Betreten des Spielfeldes durch BSG Chemie-Fans sowie das Zünden von Pyrotechnik durch beide Fanlager am 07. Mai. Zudem kam es noch zu Auseinandersetzungen zwischen Chemie-Fans und der Polizei, die ebenfalls bestraft wurden.
Kollektivstrafen schließen alle Stadionbesucher und Besucherinnen aus. Am 16. August 2017 teilte der DFB nach Fanprotesten noch mit, dass man auf die Aussprache von Kollektivstrafen zukünftig verzichten wolle. Damit waren damals neben Geisterspielen auch Zuschauerteilausschlüsse gemeint. Mit der Verhängung eines Ausschlusses der BVB-Fans für ein Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim in Sinsheim rückte der DFB von dieser Linie wieder ab. Auf Ebene der Landesverbände kam es ebenfalls weiterhin zur Aussprache von Kollektivstrafen.
Die Fanorganisationen und Netzwerke Unsere Kurve, Queer Football Fanclubs (QFF) und F_in (Frauen im Fußball) erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Thema Kollektivstrafen bereits im Februar 2020: „Wir lehnen nach wie vor jegliche Ausgestaltungen von Kollektivstrafen kategorisch ab. Diese übergehen das Prinzip des Nachweises von individuellen Vergehen und deren Sanktionierung, sie bestrafen Unbeteiligte und schüren Gefühle von Willkür. Uns ist kein Fall bekannt, der aufgrund der Aussprache von Kollektivstrafen zu einer positiven Verhaltensveränderung geführt hat“. (Faszination Fankurve, 02.07.2022)