„Dieses Verhalten der Polizei ist nicht zu akzeptieren“

Beim Auswärtsspiel des Hamburger SV am Samstag bei Fortuna Düsseldorf trat die aktive HSV-Fanszene erstmals wieder organisiert auf. Bei der An- und Abreise in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt kam es zu umstrittenem Vorgehen der Bundespolizei gegen anreisende HSV-Fans.

Auf der Hinreise wurde ein Zug mit HSV-Fans am Hauptbahnhof in Gelsenkirchen von der Polizei gestoppt. Die Bundespolizei begründete das Festhalten von HSV-Fans und anderen Reisenden im Regionalexpress 2 am Hauptbahnhof in Gelsenkirchen damit, dass man ein Aufeinandertreffen mit Fans von Schalke 04 oder Hannover 96 verhindern wollte. Zudem sei es im Zug zu Sachbeschädigungen und anderen Straftaten gekommen.

Der HSV Supporters Club und die Fanhilfe Nordtribüne haben Stellung zu diesem Vorfall genommen und dabei ein anderes Bild gezeichnet als die Polizei, die in der Pressemitteilung von „circa 150 randalierenden Hamburger Fußballanhängern“. (Faszination Fankurve, 21.03.2022)

Pyroaktion der HSV-Fans am Samstag in Düsseldorf.
Pyroaktion der HSV-Fans am Samstag in Düsseldorf. Bild: mr_sen_sationel

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme des HSV Supporters Club und der Fanhilfe Nordtribüne:

Die Zweitliga-Partie gegen Fortuna Düsseldorf am Sonnabend bot den Rahmen für ein Fußballfest, wie wir es seit zwei Jahren schmerzlich vermisst haben: Bei bestem Wetter trafen zwei Traditionsvereine aufeinander, die von ihren Fans leidenschaftlich unterstützt wurden. „Wie früher…“ war ein Satz, den man im Stadion öfter aus glücklichen Gesichtern hörte.

Leider verfielen auch Polizeieinheiten in bekannte Muster zurück und belästigten auf der An- und Abreise Fans des HSV in einer Weise, die uns fassungslos zurücklässt. Wir möchten die uns zugetragenen Erlebnisse hiermit dokumentieren. Sie zeigen ein anderes Bild als die Polizeiberichte, die von einigen Medien unkritisch wiedergegeben wurden:

Auf der Hinfahrt wurde ein Zug mit mehreren hundert HSV-Fans sowie zahlreichen anderen Mitfahrenden wegen einer angeblich technischen Störung am Zug in Gelsenkirchen angehalten. Daraufhin rückten behelmte Polizeieinheiten an, die Türen des gesamten Zugs wurden zunächst blockiert und anschließend für ca. eine Stunde verriegelt. Zu diesem Zeitpunkt konnten dann auch andere Zugreisende den Zug nicht mehr verlassen – darunter ältere Mitreisende, Familien oder Reisende, die in Düsseldorf einen Flieger erwischen mussten. Selbst als eine ältere mitreisende Frau Kreislaufprobleme bekam, war dies für die Polizei kein Anlass, ihr Vorgehen zu hinterfragen. Im Gegenteil, die helfenden Fans wurden von den Einsatzkräften vielmehr noch als Bedrohung wahrgenommen. In der Zwischenzeit wurden drei Züge nach Düsseldorf verpasst und erst mit weit über einer Stunde Verspätung durften die Reisenden weiter in Richtung Düsseldorfer Stadion.

Nach dem Spiel wurden die HSV-Fans mit völlig überfüllten Shuttle-Bussen zum Düsseldorfer Flughafen gebracht. Mehrere hundert von ihnen wurden vor Ort direkt von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) eingekesselt und durften diesen Kessel über eine Stunde nicht verlassen. Nachdem sie im Stadion mehrere Stunden in der Sonne standen, wurden sie davon abgehalten, sich Getränke oder Essen zu kaufen. Auch Toiletten waren nicht vorhanden. Alle Fans in dem Kessel wurden dann in Regionalbahnen geschickt, auch solche, die eigentlich ein gültiges ICE-Ticket für die Rückfahrt oder ein anderes Fahrtziel als Hamburg hatten. Bei der Rückfahrt wurden dann die großzügigen Umstiegszeiten in Osnabrück und Bremen durch unnötige Stopps zwischen den einzelnen Stationen künstlich auf wenige Minuten minimiert. So bot sich weiterhin keine richtige Möglichkeit, Wasser oder Lebensmittel zu kaufen. Die Einheiten der BFE begleiteten die Fahrt weiterhin sehr aggressiv. Die HSVer:innen mussten darum bitten, auf Toilette gehen zu dürfen. Sie wurden auf unnötig kleinem Raum eingekesselt, obwohl der Zug verhältnismäßig leer war, durften den Waggonteil nicht verlassen, wurden von den behelmten Beamt:innen beleidigt und teilweise körperlich angegangen, wenn eine Maske nicht (richtig) auf dem Gesicht saß. Dabei wurde die Maskenpflicht von Teilen der Einsatzkräfte selbst offenkundig missachtet. Der Grund für diese Gefangennahme war weder ersichtlich noch wurde er kommuniziert. Auf verständliche Nachfragen wurde destruktiv und teilweise beleidigend reagiert. Es war der Besonnenheit der anwesenden HSVer:innen zu verdanken, dass dieses Verhalten trotz Provokationen nicht eskalierte. Die Gruppe HSV-Fans konnte sich während der gesamten achtstündigen Rückreise nicht mit Essen oder Trinken versorgen und wurde dann in Hamburg ohne ersichtlichen Grund vom nächsten Polizeikessel in Empfang genommen. Erst nach einer Kontrolle durften sie den Bahnhof verlassen. Auf die zahlreichen Hinweise, man wolle lediglich nach Hause, reagiert die Polizei nicht. Vielmehr entstand bei den anwesenden Fans der Eindruck, die Polizei versuche durch hartes Vorgehen gegen einzelne Fans auf den letzten Metern der Fahrt noch die scheinbar gewünschte Eskalation herbeizuführen – ohne Erfolg.

Dieses Verhalten der Polizei ist nicht zu akzeptieren und durch nichts zu rechtfertigen – auch nicht durch vermeintliche Verfehlungen einzelner HSV-Fans. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit solche Zustände nicht einfach „hingenommen“ werden. Wir werden niemals hinnehmen, dass Fußballfans Grundrechte abgesprochen werden. Wer etwas mitbekommen hat und seine oder ihre Erlebnisse teilen möchte, kann sich an die Fanhilfe Nordtribüne wenden (fanhilfe@nordtribuene-hamburg.de).

Fanhilfe Nordtribüne & die Abteilungsleitung des HSV Supporters Club

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